Wenig geschätzt, weil als eintönig abgetan, sind jene Forsten, die der schnellen Produktion von Holz dienen (Abb. 1). Oft in Reinkultur angepflanzt drängen sich Kiefern, Fichten oder Douglasien dicht an dicht und konkurrieren um Nahrungsgrundlage und Licht.

Abb. 2: Stubben in ZersetzungWir sehen die Überreste der entnommenen Bäume, deren Stubben. Die oberirdischen Baumteile wurden entnommen, die unterirdische Organe der Bäume, ihre Wurzeln, blieben im Boden zurück. Sie werden von Mikroorganismen besiedelt und nun wohl Jahr für Jahr weiter abgebaut (Abb. 2), um irgendwann 'verschwunden' zu sein.

Doch der aufmerksame Beobachter erkennt neben den in Zersetzung befindlichen Baumresten andere Stubben, die anscheinend noch völlig intakt sind; ein Stubben, an dessen Borke sich der Fällschnitt deutlich abzeichnet und dessen Oberfläche dennoch völlig überwallt ist und wie mit einem Helm abgedeckt erscheint (Abb. 3).

stubben 01 150x100Abb. 3: komplett überwallter BaumstubbenDem zweifelnden Baumfreund wird es möglicherweise nicht leicht fallen, eine Erklärung dafür zu finden. Er erinnert sich an die horizontalen Stoffbewegungen zur Einlagerung im Herbst und bei der Mobilisierung im zeitigen Frühjahr. Doch nun das hier: Stubben von Bäumen, die oberirdisch fast völlig beseitigt wurden, deren Organe zur Bildung von Assimilaten längst nicht mehr existieren und trotzdem Dickenzuwachs und andere Reaktionen bis hin zur kompletten Überwallung der Fällungswunden. Unglaublich, aber wahr!

Schon vor etwa 2000 Jahren wunderte sich der 'universale Geist' Plinius der Ältere (23 - 79 n.Chr.), Verfasser der Enzyklopädie Naturalis historia, über die gleichen Beobachtungen. Er beschrieb sie zwar, fand aber aus den damaligen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen heraus keine Erklärung dafür.

Erst dem Professor der Medizin GOEPPERT gelang es in der Mitte des 19. Jahrhunderts, das Phänomen der Stoffbildung von Pflanzen ohne Assimilationsorgane richtig zu deuten. Verwachsungen zwischen den Wurzeln der gefällten Bäume und ihren noch stehenden Nachbarn der gleichen Art, Verbindungen, die noch existierten und weiterhin 'funktionierten', mussten des Rätsels Lösung sein (KÖSTLER, BRÜCKNER, BIBELRIETHER 1968).

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stubben 02 150x100Abb. 4: ÜberwallungsringWir sind gewohnt, jeden Baum als selbständiges Individuum zu sehen. Gerade in Reinbeständen, wo viele Individuen ein und derselben Baumart dicht nebeneinander wachsen, kommt es jedoch häufig zu dem Phänomen der Wurzelverwachsungen. Die Wurzeln benachbarter Bäume begegnen sich zunächst zufällig, im Verlauf des weiteren Dickenwachstums wird zunehmend Druck aufeinander ausgeübt, was letztlich zur Auflösung der Rinde an den Kontaktstellen und zu einem vollständigen Verwachsen der beiden Wurzeln führt. Gerade bei Nadelbäumen kann sich das Wurzelsystem weiter erstrecken als das Kronensystem, was die Wahrscheinlichkeit solcher Wurzelkontakte stubben 03 150x100Abb. 5: Überwallungsringerhöht.

Durch viele solcher Wurzelverwachsungen bilden die Bäume eines solchen Reinbestandes eine Art 'Superorganismus' (GRAHAM & BORMANN 1966, EIS 1972, FINK 1999). Dies erklärt nun auch das beobachtete Phänomen der Stocküberwallung (Abb. 4-6), da nach dem Absägen eines Baumes weiterhin Nährstoffe von den benachbarten, stubben 05 150x100Abb. 6: Überwallungsringnoch lebenden Bäumen über diese Wurzelverwachsungen zugeführt werden können und ein solcher Stock überwallen kann (GÖPPERT 1842, WICHMANN 1925). In gewisser Weise "parasitiert" damit der abgesägte Stock auf dem Wurzelsystem der Nachbarbäume. Andererseits können die Nachbarbäume das Wurzelsystem des gefällten Baumes mitbenutzen.